Ein weiterer Eckstein auf meinem Weg war die Auseinandersetzung mit meinem Verstand.
Rumi, mein Favorit unter den Mystischen Dichtern, erklärt den Verstand sehr treffend.
„Der Verstand ist nur dann gut, wenn er Dich zur Wahrheit führt. Wenn Du ein Hemd anfertigen lassen willst, so bringt Dich Dein Verstand zum Schneider. Der Verstand ist bis zu diesem Punkt gut. Aber wenn Du beim Schneider bist, musst du vor dem Meister all deine Gedanken dazu ablegen. Auch jener Verstand ist gut, der einen Kranken zum Arzt bringt. Aber wenn der Kranke beim Arzt ist, nützt ihm sein Verstand nichts mehr. Er muss sich nun auf den Arzt verlassen“.
Richtig eingesetzt ist der Verstand unser Freund. Er ist uns von Gott gegeben, also ist er gut. Meine Erfahrung mit dem Verstand ist, dass ich ihn brauche, um das umzusetzen, was ich tun soll, das, was die Seele und das Herz mir sagen. Die Vernunft unterstützt ihn dabei. Wenn sie alle vier miteinander kooperieren, hat das Ego keine Macht über mich. Wenn es dem Ego aber gelingt, meinen Verstand in die falsche Richtung zu lenken, durch Eitelkeit, Ungeduld und Lügen, Unachtsamkeit, schwankendes Vertrauen und daraus folgend Angst und Misstrauen, kann die Vernunft nichts mehr ausrichten. Der Verstand dreht durch, ein Gedanke jagt den anderen. Das Herz zieht sich zurück und wartet, bis der Sturm sich etwas legt. Dann macht es sich bemerkbar. Ich werde unruhig, und der Tremor erfasst meinen ganzen Körper. Ich habe auf meinem Weg gelernt, auf diese Zeichen zu achten. Ich habe gelernt, dass es mir hilft, in Meditation wieder ins Gleichgewicht zu kommen.
Es war ein sehr mühsamer und langer Weg, der Tremor und die Gedanken ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Ich übte und übte, konsequent und hartnäckig. In einer Jesusmeditation fand ich schließlich Hilfe. Ich konnte mich mit wenigen Atemzügen in eine höhere Schwingung versetzen, in der der Tremor keine Chance mehr hatte. Ich übernahm diese Meditation, in der ich mich Jesu sehr nahe fühle, in meinen Tagesablauf. Es hat Wochen gedauert, bis ich ein weiteres Mal diese Nähe erleben durfte. Ich wusste nun, dass es sein kann, und dass ich es herbeiführen kann. Es geschah immer öfter. Jetzt kann ich sehr schnell in die tremorfreie Stille gehen.
Auch meine Gedanken haben dann nicht die Macht über mich, und ich kann sie vorüberziehen lassen und verabschieden. Wenn ein Gedanke immer wieder kommt, ist es meistens ein manifestierter Glaubenssatz. Ich weiß dann, dass er für mich nicht mehr gültig ist, bedanke mich bei ihm und verwandle ihn, indem ich die die Situation, wo er entstanden ist, mir so vorstelle und durchlebe, wie ich sie gerne gehabt hätte. Wenn auch das nicht gelingt, und der Gedanke wieder kommt, kommt meine Seele mir zu Hilfe, sie arbeitet nachts, wenn ich schlafe. Irgendwann werde ich wach und fange an zu schreiben. Meine Seele schreibt. Am Morgen bin ich erstaunt über die Tiefe und die Klarheit, in der sie zu mir gesprochen hat. Meistens bedarf es keiner Umwandlung. Ich habe die Situation nur falsch eingeschätzt. „Oftmals sind die Dinge anders als sie scheinen“.
Zurzeit übe ich, die höhere Schwingung auch außerhalb der Meditation zu bewahren. Das gelingt, wenn ich ganz für mich bin und nur Dinge mache, die mir gut tun.
Oder wenn ich in der Natur bin oder ein gutes Buch lese. Oder bei einem Gespräch mit einer Freundin, mit der ich über das, was mit mir geschieht, sprechen kann, ohne dass der Tremor aktiv wird. Sie nimmt mich ernst und ist mit Staunen und Ehrfurcht an den Artikeln Lothars interessiert. Ich habe viele für sie ausgedruckt. Ihre Augen strahlen, wenn wir dann darüber sprechen.
Der Tremor zeigt mir an, ob ich im Herzen bin oder im Verstand. Auch die Gedanken sind leerer, ich fühle mich freier und glücklicher, heiler.
Ego-Phasen nehme ich an, belächle sie und stehe sie mit Gelassenheit durch.
Laetitia
Es klingt sehr schön. Ich erinnere mich an Situationen, wo es auch mir gelungen ist, in höhere Schwingungen zu gelangen, ich erinnere mich an das Gefühl der Weite und gleichzeitig Geborgenheit, der Wärme im Herzen, der Ruhe im Verstand.
Noch hab ich meinen Weg zu mir nicht so gefunden, dass ich einfach zurückkehre in diese Freiheit, dieses wundervolle Fühlen. Es kommt, es geht.
Was ich sehr wohl täglich klarer und stärker spüre, ist, wann es für mich genug ist, wenn ich mich von mir selbst entferne, und ich wieder den Raum und die Ruhe brauche, mir wieder nahe zu kommen. Nur wenn ich dieses Spüren übergehe, verausgabe ich mich so, dass mir manchmal sogar das zu-mir-gehen zu viel vorkommt. Dann geht das Ego durch, ich reagiere, wie ich nicht will, bin ständig unruhig und sprunghaft, zynisch.
Mittlerweile kommt es weniger vor, und dennoch habe ich noch ein gutes Stück Weg vor mir, in die Verbundenheit einzutauchen und sie zu halten, sie anzuwenden im täglichen Trott, beim Anwenden in Entscheidungen. Es ist manchmal, als ob mich etwas, dem ich vertraue, in den Nebel führt, mich das Gefühl der Verbundenheit im Herzen vergessen lässt. Ich bin am Weg, manchmal am kürzesten, öfters am längeren Weg, danke meinen Helfern dafür, und bitte sie, mir die Zuversicht zu erhalten, den Weg weiter zu gehen.
Danke, Michael, dass Du uns an so wertvollen Erfahrungen teilhaben lässt! Die Verbundenheit mit dem Herzen für immer zu haben , ist nur Erleuchteten vergönnt. Abrer die Erfahrung zu haben, dass es diese Verbundenheit gibt, macht unser Leben erst lebenswert. Die Sehnsucht danach hält uns in Bewegung, macht uns unruhig, wenn wir dem alten Trott erliegen. Die Sehnsucht danach lässt uns aber auch lächeln und dankbar sein für diese „Sternstunden am Rande der Ewigkeit“ , wie ich sie nenne. Gehe fröhlich und dankbar Deinen Wegin dem Wissen um seine Schönheit und seine Tiefen. Gute Nacht! Laetitia